8.2 Todendorf
Unser Ziel für die nächsten zwei Nächte war ein auf dem ersten Blick wohl ungewöhnliches Ziel für eine geographische Exkursionsgruppe: der Truppenübungsplatz Todendorf. Er liegt im Kreis Plön an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste und ist eigentlich keine eigenständige Anlage, sondern eine Außenstelle der übergeordneten Truppenübungsplatzes Putlos, dessen Übungsgelände sich insgesamt von der Wagrien-Kaserne westlich von Oldenburg bis an die Hohwachter Bucht erstreckt. Es umfasst insgesamt rund 12 km² Land und etwa 480 km² Schießgebiet auf See (Bundeswehr 2022).
Putlos wurde 1935 errichtet und nach Verwaltung durch die Britische Armee 1945-1947 am 1. November 1957 wieder durch die Bundeswehr übernommen (Bundeswehr 2021). Sein Gelände wird heute vor allem durch Einheiten und Verbände von Marine und Luftwaffe genutzt, denen sich mit Putlos als deutschlandweit einzigem Truppenübungsplatz mit Küstenanbindung besondere Möglichkeiten bieten. Für die Luftwaffe liegt der Schwerpunkt hier im Flugabwehrschießen, im Luft-See-Schießen und im Close Air Support, während die Marine durch die besondere Lage des Platzes nahezu unbegrenzte Möglichkeiten in der Durchführung von bspw. Triphibischen Operationen, See-See-Schießen und See-Land-Beschuss hat (Bundeswehr 2022).
Bei unserer Ankunft in Todendorf wurden wir von Horst Peters begrüßt, der dort für die Landschaftspflege zuständig ist und sich uns für die Zeit unseres Aufenthalts freundlicherweise als persönlicher Kontakt und Experte bereitstellte. Um das Gelände betreten zu dürfen meldeten wir uns am bewachten Schalter an und tauschten unsere gesammelten Personalausweise gegen einen Besucherausweis ein, den wir stets bei uns tragen mussten. Hier bezogen wir zunächst unsere Zimmer in einem der Kasernengebäude, das für BesucherInnen zur Verfügung steht. Wir als ZivilistInnen und universitäre Exkursionsgruppe gehörten dabei zu einer wohl sehr unüblichen Gästekategorie, denn außer uns waren auf dem Platz nur SoldatInnen untergebracht. Da keine/r der TeilnehmerInnen unserer Exkursion bisher Erfahrungen bei der Bundeswehr gesammelt hatte, faszinierte der Kasernenflair mit dem langen, zugigen Flur und den in den Zimmern eng stehenden Betten uns alle und bot eine interessante Erweiterung zu unserem bisherigen Unterkunftsrepertoire.
Nachdem wir die Zimmer weitestgehend bezogen hatten, gab Horst uns zunächst eine Rundführung über das ca. 3 km² große Kasernengelände und seine Landschaftsflächen. Da das Fotografieren auf dem Bundeswehrgelände nicht erlaubt war, unterließen wir das auch während unserer Führung über das Gelände. Am Kiesstrand beobachteten wir zunächst Land-See Schießübungen auf dem Meer. Besonders beeindruckte uns dabei die zeitliche Verzögerung des durch einen Wasserkegel sichtbaren Einschlags auf See und des etwa 13 Sekunden später bei uns ankommenden Schalls der Detonation.
Nachdem Horst uns am Strand schon den seltenen und unter Naturschutz stehenden Seekohl zeigte, führte er uns tiefer in das Gelände hinein, um uns die dortige Natur zu demonstrieren. Manch eine/r mag bei dem Gedanken an die Natur auf militärischem Gelände wie Todendorf zunächst an Munitionsreste oder Schwermetallbelastung denken – was Horst uns mit der Aufforderung, uns bei der Begehung an ihn zu halten und nichts vom Boden aufzuheben, was nach Munitionsrest o.ä. aussieht, als durchaus berechtigt bestätigte. Neben ihrer militärischen Relevanz sind Truppenübungsplätze aber auch relevant für den Naturschutz, denn „als letzte unzerschnittene Gebiete Mitteleuropas“ (NABU 2022b) sind sie eine ökologische Besonderheit und bekannt für ihre Artenvielfalt in Flora und Fauna. Da sie als militärische Sperrzonen über Jahrzehnte großräumig eingezäunt sind und über diese Zeit ausschließlich durch die Bundeswehr genutzt werden, sind sie weder von Siedlungsbau oder Flächenversiegelungen betroffen, noch werden sie durch Straßen oder Bahnlinien durchbrochen. Da auf ihnen auch keine Landwirtschaft betrieben wird, sind die Flächen auch nicht durch Pestizide oder Dünger belastet. Die Natur kann sich also über sehr lange Zeiträume weitgehend unberührt entwickeln (Willinger 2019). Horst demonstrierte uns das anhand zwei sehr alter Eichen, die vor einem ehemaligen Gehöft stehen und zeigte uns im Laufe der Begehung zahlreiche seltene Kräuter und Wildblumen.
Auch Tiere finden auf dem Gelände sehr günstige und geschützte Lebensbedingungen vor. Noch im Bus begegneten wir direkt zu Beginn unserer Führung einer überraschend zahm erscheinenden Gruppe Damwild, die sich auch von unserer Vorbeifahrt in unmittelbarer Nähe nicht aus der Ruhe bringen ließ. Laut Horst versuchen außerdem immer wieder Hirsche von außen in das Gelände hineinzukommen und zerstören dabei die Umzäunung des Gebiets. Das Gelände bietet außerdem ein Brutgebiet für eine Gruppe Kormorane, eine Vogelart, die nach massiver Verfolgung in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts schon einmal als beinahe ausgerottet galt (NABU 2022a). Sie brütet in den Bäumen rund um einen kleinen Teich und wurde durch ihre Großzahl sogar zur ökologischen Belastung: die Exkremente der Vögel verätzen die den Teich umgebenden Bäume und tragen außerdem stark zur Eutrophierung des Gewässers bei, das wir als mittlerweile grün leuchtend wahrnehmen. Eine Lösung dafür ist noch nicht in Sicht, da man den Kormoranen nicht schaden will. Trotzdem soll in Zukunft an diese Herausforderung herangegangen werden (Mündl. Kommunikation Peters 2021).
Quellen
Ein Teil der Informationen entstammt aus dem persönlichen Gespräch mit Horst Peters, der uns über das Gelände führte.
Bundeswehr, 2021. Truppenübungsplatz Putlos. https://www.bundeswehr.de/resource/blob/312358/a6382e62e3375325ab2d2857533cab20/datenblatt-putlos-zum-download-data.pdf, 2021-12-03.
Bundeswehr, 2022. Truppenübungsplätze – Putlos mit Außenstelle Todendorf. https://www.bundeswehr.de/de/organisation/streitkraeftebasis/organisation/kommando-territoriale-aufgaben-der-bundeswehr/truppenuebungsplaetze/bereich-truppenuebungsplatzkommandantur-nord, 2021-12-15.
NABU, 2022a. Kormoran – Phalacrocorax carbo. https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/portraets/kormoran/, 2022-01-20.
NABU, 2022b. Altlasten und Schmuckstücke. https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/naturschutz/deutschland/11646.html, 2021-12-21.
Willinger, G., 2019. Arche Truppenübungsplatz. https://www.spektrum.de/news/truppenuebungsplaetze-sind-eine-oase-fuer-die-natur/1638618, 2021-12-21.