1.5 Kolluvisol
Im nördlichen Vorland des Wiehengebirges hielten wir am Rande eines Rapsfeldes. Hier wollten wir uns mit Hilfe eines Pürckhauer Bohrstockes den Ackerboden anschauen. Wir achteten dabei sehr darauf, eine Schädigung der jungen Rapspflanzen zu vermeiden. An einigen Pflanzen waren jedoch bereits kleine Löcher in den Blättern zu erkennen. Dabei handelte es sich um den typischen Lochfraß des Rapserdflohs (Psylliodes chrysocephala) (BLE 2018).

Abbildung 1.9: Ein durch den Rapserdfloh beschädigter Rapskeimling.
Dieser Schädling verursacht im Herbst an jungen Rapspflanzen die in Abbildung 1.9 ersichtliche Durchlöcherung der Keimblätter. Der Befall kann zu Ertragsminderungen führen. Außerdem kann es zu einer Verbreitung des Schädlings in angrenzende Rapsbestände kommen. Im ökologischen Landbau ist eine direkte Bekämpfung des Rapserdflohs nicht möglich. Die Fruchtfolge sollte entsprechend angepasst werden, da andere Ackerpflanzen für den Schädling nicht anfällig sind. Die Eiablage kann durch eine Mulchsaat gehemmt werden. Außerdem können räuberische Arten den Bestand vor einem übermäßigen Befall schützen (BLE 2018). Neben den beschriebenen Schädigungen der Pflanze erkannten wir kleine grünblaue Körner in regelmäßiger Verteilung auf dem Acker. Wir vermuteten, dass es sich dabei um Schneckenkorn handelt, das im Randbereich des Feldes ausgebracht wurde, um ein Einwandern von Schnecken zu verhindern.

Abbildung 1.10: Mittels Pürckhauer entnommene Bodenprobe: Kolluvisol.
Die mit Hilfe des Pürckhauers entnommene Bodenprobe zeigte einen etwa 40 cm mächtigen humosen Oberboden auf einem entkalkten und lockeren Ausgangsgestein. Dabei handelt es sich um Löss, der innerhalb von Kaltzeiten äolisch abgelagert und im Anschluss durch unterschiedliche pedogenetische Prozesse verändert wurde. An diesem Standort ist der Löss entkalkt sowie verwittert und muss als Lösslehm bezeichnet werden. Uns fiel auf, dass der dunkel gefärbte Oberboden im Gegensatz zum Lösslehm kalkhaltig ist. Da Entkalkungsprozesse üblicherweise mit dem Sickerwasser von oben nach unten ablaufen, ist das hier vorgefundene Phänomen ungewöhnlich. Die Herkunft des Carbonates kann durch zwei Prozesse erklärt werden. Zum einen ist eine anthropogene Kalkung als Meliorationsmaßnahme des Bodens möglich. Landwirtschaftlich genutzte Flächen werden häufig gekalkt um den pH-Wert zu erhöhen und einer Versauerung entgegenzuwirken. Calciumcarbonat (CaCO3) wird dazu auf den Oberboden aufgetragen und neutralisiert den Einfluss von Säuren, die beispielsweise bei der Atmung von Bodenlebewesen, der Nährstoffaufnahme von Pflanzenwurzeln oder durch saure Einträge aus der Atmosphäre entstehen (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2020). Eine zweite mögliche Ursache für den carbonathaltigen Oberboden ist die Verlagerung von Hydrogencarbonat (HCO3–) mit Hangzugwasser aus dem carbonathaltigen Gestein des Wiehengebirges. Säuren – wie beispielsweise Kohlensäure (H2CO3), die durch die Reaktion von Kohlenstoffdioxid (CO2) mit Wasser (H2O) entsteht – lösen das CaCO3 aus kalkhaltigem Gestein unter Freisetzung von Calcium (Ca2+) -Ionen und HCO3–. Das gelöste HCO3– wird mit dem Sicker- und Oberflächenwasser verlagert und kann an anderen Orten wieder ausgefällt werden (Mündl. Kommunikation Exkursionsleiter 2021). Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Prozess zu einer sekundären Aufkalkung des Bodens führte. Ob der Boden zusätzlich anthropogen gekalkt wurde ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Die mächtige Lage an humosem Bodenmaterial entsteht durch die Verlagerung von Oberbodenmaterial mit dem Relief durch erosive Prozesse. Das so angereicherte Material wird als Kolluvium, der entstandene Boden als Kolluvisol bezeichnet. Der diagnostische Horizont des Kolluvisols ist der M-Horizont (Ad-hoc-Arbeitsgruppe Boden 2005).
Wir fuhren noch ein Stück weiter in nördliche Richtung und ließen den Tag bei einem gemeinsamen Bier am Rande der Bastauwiesen ausklingen und freuten uns auf ein leckeres Abendessen, ein nettes abendliches Beisammensein und eine erholsame Nacht. Gerne wurde von einigen ExkursionsteilnehmerInnen das Wellnessangebot der Wiehen-Therme angenommen.
Quellen
Ad-hoc-Arbeitsgruppe Boden: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Geologischen Diensten, 2005. Bodenkundliche Kartieranleitung, Hannover.
BLE – Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), 2018. Rapserdfloh. https://www.oekolandbau.de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen-pflanzenbau/pflanzenschutz/schaderreger/schadorganismen-im-ackerbau/rapserdfloh-psylliodes-chrysocephala/, 2022-01-30.
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2020. Grundlage der Bodenfruchtbarkeit – die Kalkung. https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/bodenschutz/bodenfruchtbarkeit-kalkung-grundlagen.html, 2022-01-30.
Exkursionsleitung, 2021. Diskussion und Gespräch über den Standort.