1.3 Biohof Kinkelbur

Unser nächster Stopp war der Biohof Kinkelbur. Er liegt im Südwesten von Minden, im Stadtteil Haddenhausen. Der Hof besteht bereits seit 1648 als Familienbetrieb und wird heute vom Ehepaar Friedrich und Ulrike Kinkelbur, ihren beiden Söhnen und einem Team aus ca. 7 MitarbeiterInnen betrieben, darunter Festangestellte, MinijobberInnen und Azubis (Biohof Kinkelbur 2022). Für unseren Besuch trafen wir Friedrich Kinkelbur, der uns bei Tee und Kaffee aus dem eigenen Hofladen den Betrieb vorstellte und uns dann auf dem Gelände herumführte. Das Katzenjunge, das uns dabei stets begleitete, begeisterte einige von uns so sehr, dass es zum zwischenzeitlichen Exkursionsmaskottchen gekürt wurde.

Auf dem Bauernhof Kinkelbur wird seit 1981 organisch-biologischer Landbau nach den Richtlinien des Bioland-Verbandes betrieben. Vom Hof ausgehend werden sowohl Milch als auch Zucht- und Schlachtvieh, Weizen, Roggen und Kartoffeln sowie Eier und Suppenhühner erwirtschaftet und regional – etwa in lokalen Molkereien und Supermärkten – bzw. innerhalb der Bio-Schiene vertrieben. Allerdings liegt der klare Schwerpunkt des Hofes auf der Milcherzeugung. 1969 spezialisierte der Hof sich mit dem Ausbau des Stalles zum Boxenlaufstall auf Milchvieh. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde die dafür notwendige Infrastruktur konstant ausgebaut, etwa durch den Bau eines Jungviehstalles und Güllebehälters, den Neubau des Kuhstalles und des Melkhauses, sowie durch die Verlängerung und den Ausbau der Fahrsilos. Im Laufe der Jahre wurden auf dem Hof außerdem eine eigene Maschinenhalle, eine Getreideaufbereitungsanlage und eine Photovoltaikanlage errichtet (Handout & Mündl. Kommunikation Hr. Kinkelbur 2021).

Durch wiederholte Aufstockung des Viehbestands und die Zupacht eines weiteren Betriebs im Nachbarort 2014 konnte die Milchviehherde des Hofs Kinkelbur von 50 Milchkühen 1996 auf heute 110 Milchkühe anwachsen. Als bemerkenswert hervorzuheben ist dabei die sehr hohe Milchleistung der einzelnen Kühe, die mit jährlich ca. 10.300 kg Milch deutlich über dem aktuellen deutschen Durchschnitt von 8.457 kg liegt (Bundesinformationszentrum Landwirtschaft 2021). Was für einen Biohof zunächst einmal sehr überraschend erscheint, ist in der Züchtung der Kühe begründet. Die für ihre hohe Milchleistung bekannte Rasse Holstein-Friesian wird zwar bio gehalten, ist aber auf Leistungsstärke gezüchtet und daher auch in der konventionellen Landwirtschaft sehr populär (Brade & Brade 2010). Gemäß den Richtlinien der biologischen Landwirtschaft werden die Kühe auf dem Hof Kinkelbur mit überwiegend eigens angebautem Bio-Futter ernährt. So erhalten sie Grundmischungen über einen Futtermischwagen und zusätzlich Heu, Mineralfutter und Viehsalz. Hinzu kommen von einem technischen Mitarbeiter individuell zusammengestellte Kraftfuttereigenmischungen, bestehend aus Getreideweizen und Eiweiß-Ergänzer. Wenn der Boden es zulässt, wird die Fütterung durch Kurztagsweide ergänzt (Handout & Mündl. Kommunikation Hr. Kinkelbur 2021).

Drei Milchkühe der Rasse Holstein-Friesian im Boxenlaufstall.

Abbildung 1.4: Drei Milchkühe der Rasse Holstein-Friesian im Boxenlaufstall.

Führung über den Bauernhof durch Herrn Kinkelbur.

Abbildung 1.5: Führung über den Bauernhof durch Herrn Kinkelbur.

Der Biohof verfügt über eine landwirtschaftliche Nutzfläche von insgesamt 165 ha, von der 3,5 ha bewaldet sind, 60 ha als Grünland und 105 ha als Ackerland genutzt werden. An der Bodenbeschaffenheit der landwirtschaftlichen Flächen zeigt sich bereits die moorige Lage des Standorts, die wir durch den Besuch der nahe gelegenen Bastauwiesen am folgenden Tag noch besser kennenlernten. Während das Ackerland teilweise anmoorige Böden aufweist, umfasst das Grünland teildrainiertes Niederungsmoor. Die Unterteilung in Ackerland oder Grünland unterliegt dabei der EU-Direktzahlungen-Durchführungsverordnung (Art. 4 VO (EU) 2013/1307 Abs. 1 h) und ist an strenge Regelungen gebunden. So muss als Grünland genutztes Land mindestens alle fünf Jahre durchgepflügt werden, um nicht als Dauergrünland festgeschrieben zu werden. Da Dauergrünland einem generellen Umwandlungs- und Pflugverbot unterliegt, bietet es für die weitere Nutzung weniger Möglichkeiten der Bearbeitung, sodass eine solche Umstellung an einen Wertverlust der Fläche gekoppelt ist.

Wie von den Richtlinien des Bioland-Verbands vorgeschrieben, wird auf den genutzten Flächen grundsätzlich auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet. Manche regional verfügbaren Pflanzen, die den Boden sehr fruchtbar hinterlassen würden, wie etwa Raps, können also nicht angebaut werden, weil sie in der Regel nur durch diesen bestehen können. Für eine Minimierung von Unkraut sowie die Erhaltung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit werden die Ackerflächen stattdessen mit einer spezifischen Fruchtfolge bestellt, die je nach Bodenbeschaffenheit unterschiedlich ausfällt. Auf Lehmstandorten werden in zwei aufeinanderfolgenden Jahren Kleegras, dann Mais, Winterweizen, Kartoffeln und wiederum Winterweizen angebaut. Auf den anmoorigen Standorten werden Kleegras, dann Winterweizen und danach Winterroggen angebaut. Im Sommer wird auf allen Standorten eine Blanksaat von Rotklee, Schwingel, Lieschgras und deutsches Weidelgras ausgebracht. Die Saat und Pflege erfolgt maschinell, durch Anbausämaschine, Hackstriegel, Rollhacke, diverse Hackmaschinen, Kartoffelhäufelgerät und Nachsaatstriegel für Grünland. Die Ernte erfolgt ebenfalls maschinell, durch Mähwerke, Wender und Schwader, Kartoffelroder vollzogen, der Transport durch diverse Kipper und Anhänger (ebd.).

Insgesamt wird auf dem Hof Kinkelbur versucht, einen möglichst lebendigen Organismus bzw. biologischen Kreislauf aufrechtzuerhalten. Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei das Kleegras. Es liefert Futter für die Kühe, deren Gülle dem Boden zur Steigerung der Fruchtbarkeit zurückgegeben wird. Daneben sorgt es für eine Humusanreicherung des Bodens, was den nachfolgenden Kulturen ebenfalls als wichtige Nähstoffquelle dient. Als dichte Matte unterdrückt es außerdem eine große Menge an Unkraut, dessen aufkommende Reste dann mit Hacke und Striegel einfach entfernt werden können. Das nach der Getreideernte anfallende Stroh, wird den Kühen dann wiederum als Unterlage in die Ställe zurückgegeben (Biohof Kinkelbur 2022).

Die jüngsten Veränderungen auf dem Hof Kinkelbur gehen auf die Pandemie 2020 zurück. Während die landwirtschaftliche Tätigkeit selbst davon weitestgehend unbeeinflusst blieb, erschienen im Zuge des Lockdowns immer mehr BesucherInnen, insbesondere junge Familien, auf dem Hof, die ihn als Tagesausflugsziel nutzten. Wohl in der Intention, einen Streichelzoo-Ersatz zu finden, kamen manche dabei auch den Tieren zu nahe. Durch das Aufstellen von Schildern, die die BesucherInnen zur Vorsicht und Rücksichtnahme sensibilisieren sollten, reagierte Familie Kinkelbur auf diese Entwicklungen. Die Veränderungen boten aber auch die Chance für neue Projekte, wie etwa für den Aufbau zweier neuer Hühnermobile mit je 345 Hennen, die eine Reaktion auf die steigende Nachfrage nach Bio-Eiern darstellten. Auch der von uns vorgefundene Selbstbedienungs-Hofladen wurde zur Direktvermarktung einiger Waren auf dem Hof in dieser Zeit errichtet (Handout & Mündl. Kommunikation Hr. Kinkelbur 2021).

Beschilderung für die BesucherInnen des Hofes.

Abbildung 1.6: Beschilderung für die BesucherInnen des Hofes.

Der neue Hofladen.

Abbildung 1.7: Der neue Hofladen.

Quellen

Ein Großteil der Informationen stammt aus dem persönlichen Gespräch mit Herrn Kinkelbur unter Beigabe eines Handouts.