5.1 Besuch der Aluminiumoxid-werke Stade
Nachdem wir uns schweren Herzens von unserem Hotel in Bremen verabschiedet hatten, ging es nun wieder hinaus aufs Land, Richtung Nordosten an die Niedersächsiche Elbküste.
Hier besichtigte unsere Exkursionsgruppe die Aluminiumoxidwerke in Stade, und tauchte so in die Welt der Schwerindustrie ein. Die gleichnamige Firma wurde 1973 gegründet und ist mittlerweile der einzig verbliebene Großhersteller von Aluminiumhydroxid und Aluminiumoxid in Deutschland. Bei der Führung übers Werksgelände bekam die Gruppe dabei einen Einblick in den gesamten Produktionsablauf, vom Ausgangsmaterial Bauxit bis zum fertigen Aluminiumoxid.
Der Fertigungsprozess beginnt an der Elbufer im werkseigenen Hafen. Das Bauxit das hier ankommt stammt von Tagbauten in den Tropen, etwa aus Australien oder Afrika, da Bauxit (bzw. die Lateritböden welche es enthalten) nur unter tropischen Verwitterungsbedingungen entsteht. Bei Bauxit handelt es sich um ein Gestein welches einen Besonders hohen Aluminiumanteil aufweist. Zwar ist Aluminium mit einem Gewichtsanteil von 7,5% an der Erdkruste eines der häufigsten Elemente auf Erden, jedoch ist dessen Anteil in Silikatgesteinen relativ gering. Währenddessen liegt er bei Bauxit bei bis zu 50%, wodurch die Aluminiumgewinnung erst rentabel wird (mündl. Kommunikation Boehlke 2021).

Abbildung 5.1: Bauxitabbau in Guinea (Quelle: Wirtgen Group 2021).

Abbildung 5.2: Güterschiff im Werkseigenen Hafen (Quelle: Aluminium Oxid Stade GmbH 2021).

Abbildung 5.3: Löschung der Ladung (Quelle: Aluminium Oxid Stade GmbH 2021).
Die Lage an der Elbe ist dabei von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Werkes, da der Transport von Schwerlasten wie Bauxit auf Hochseeschiffen um ein vielfaches günstiger ist als über Land. Schätzungsweise wäre selbst der Transport des Bauxits von Rotterdam nach Stade per Lastwagen ebenso teuer wie der gesamte vorangegangene Transport per Schiff aus Australien.
Das Bauxit wird nach dem Transport über Förderbänder gemahlen und mit Natronlauge versetzt. Mit diesem Schritt beginnt das Bayerverfahren, mit welchem seit seiner Entwicklung im Jahr 1888 Aluminium aus Bauxit gewonnen werden kann. In der Rohraufschlussanlage wird diese Suspension stufenweise auf 270 °C erhitzt. Dadurch löst sich das Aluminium im Erz und bindet sich an das Natrium wodurch sich Na(Al(OH)4) Verbindungen bilden.

Abbildung 5.4: Rohraufschlussanlage in welcher Bauxit und Natronlauge vermengt und erhitzt werden (Quelle: Aluminium Oxid Stade GmbH 2021).
Nach einer mehrstufigen Reinigung der Lösung in der mineralische Rückstände entfernt werden, liegt eine stark übersättigte Lösung vor, aus der es nun gilt das Aluminiumhydroxid zu gewinnen.
Dies gelingt wenn die Lösung mit bereits fertigem Aluminiumhydroxid “geimpft” wird, wodurch Kristallisationkeime enstehen an denen das Aluminiumhydroxid bei Abkühlung und intensivem Rühren nach und nach gefällt wird.

Abbildung 5.5: Anlage in der das Aluminiumhydroxid in Kristallform ausfällt (Quelle: Aluminium Oxid Stade GmbH 2021).
Am Ende dieses Prozesses werden die Aluminiumhydroxidkristalle mithilfe von Vakuumfiltern aus der Lösung herausfiltriert. Hier konnte die Gruppe das fertige Produkt bereits bestaunen und anfassen.

Abbildung 5.6: Filtration der Aluminiumhydroxidkristalle (Quelle: Aluminium Oxid Stade GmbH 2021).
Im Anschluss kann das Aluminiumhydroxid in Hochöfen gebrannt bzw. calciniert werden, um den Wasserstoff loszuwerden und Aluminiumoxid zu erzeugen. Da es jedoch in der Industrie auch vielseitige Anwendungen für die Hydroxidverbindung gibt, ist dies nicht bei der gesamten Produktionsmenge nötig.

Abbildung 5.7: Das fertige Aluminiumhydroxid im Lager (Quelle: Aluminium Oxid Stade GmbH 2021).
Ursprünglich verfügte das Werk auch über Produktionshallen in denen durch Elektrolyse das Aluminiumoxid zu reinem Aluminium verarbeitet wurde. Dabei wird das Aluminium durch die Schmelzflusselektrolyse vom Sauerstoff getrennt und an Elektroden gebunden. Dieser Prozess ist jedoch extrem Energieaufwendig und kann sich nur an Standorten an denen der Strom extrem billig ist rentieren, weshalb dieser produktionschritt in Stade schon vor längerem aufgegeben wurde. Eine Orientierung zum immensen Energieaufwand bietet ein Blick auf die Weltmarktpreise: Der Preis für Aluminiumoxid beträgt meist nur 12 bis 14 Prozent des Aluminiumpreises was bedeutet, dass Energie im 7-fachen Wert des Ausgangsproduktes verwendet werden muss um Aluminiumoxid zu Aluminium zu verarbeiten. Entsprechend findet die Produktion mittlerweile auf Island oder in Ölförderstaaten statt (mündl. Kommunikation Boehlke 2021).
Von Anfang bis Ende kann man aus 4 Tonnen Bauxit etwa 2 Tonnen Aluminiumoxid gewinnen, sowie eine Tonne reines Aluminium (mündl. Kommunikation Boehlke, 2021). Dementsprechend fällt eine Menge Abfallprodukte bei der Produktion an. Dieser Rest wird gemeinhin als “Rotschlamm” bezeichnet und wird oft als Umweltrisiko gesehen, besonders in Ländern des globalen Südens in denen die umweltgerechte Entsorgung problematisch ist. Diese Gefahr geht jedoch hauptsächlich von der Natronlauge aus, nicht von den übrigen Mineralien. In den Werken in Stade wird die Natronlauge vor der Deponierung herausgefiltert, übrig bleibt ein roter Staub der hauptsächlich aus Metallverbindungen besteht. Diese lagern auf der nahegelegenen Deponie und sind komplett Wasserunlöslich und stellen so kein Umweltrisiko dar, müssen jedoch vor Verwehung geschützt werden (mündl. Kommunikation Boehlke 2021).
Nach einer überaus üppigen Mahlzeit in der Firmenkantine bei wir uns mit der werkseigenen Feuerwehr austauschten, verabschiedeten wir uns und gingen wieder unseren Weges. Die Ohren noch klingend vom Lärm der Maschinen der chemischen Industrie machten wir uns auf dem Weg ins Alte Land um dort einen nicht weniger produktiven Standort des Agrarsektors zu besuchen.
Quellen
Ein Teil der Informationen stammt aus dem persönlichen Gespräch mit Herrn Dr. Boehlke im Zuge der Werksführung und anschließenden Fragerunde.
Aluminium Oxid Stade GmbH, 2021. Anlagenbeschreibung. https://www.aos-stade.de/pages/produktion/main-anlagenbeschreibung.html, zuletzt geprüft am 09.12. 2021.
Boehle, A., 2021. Führung über das Werksgelände de AOS Stade GmbH
Exkursionsleitung, 2021. Führung am Standort AOS Stade
Wirtgen Group, 2021. Guinea: Bauxitabbau mit Surface Minern maximiert die Wirtschaftlichkeit. https://www.wirtgen-group.com/de-li/news-und-media/wirtgen/2500-sm-bauxit-guinea/, zuletzt geprüft am 10.12.2021